Mein letzter Flug 2020 - oder wie ich in nur 7 Stunden ein Viertel meines gesamten CO2-Jahresbudgets verbrauche...


Während ich diesen Blog-Eintrag schreibe sitze ich gerade im Flugzeug auf dem Weg nach Israel. Israel gilt weltweit als Vorreiterin im Bereich Innovation und die Wirtschaftsuni Wien organisiert eine Studienreise dorthin. Für mich eine einmalige Gelegenheit, hervorragende Projekte zu sehen und neue Ideen, Eindrücke und Kontakte für meine Arbeit zu gewinnen.

Als mich Reinhard Millner von der WU vor knapp einem Jahr gefragt hat, ob ich mitkommen möchte, habe ich daher sofort zugesagt. Das war aber noch bevor ich beschlossen habe, meinen CO2 Fußabdruck drastisch zu reduzieren. Diese eine Flugreise mache ich also 2020 noch…

Jetzt sitze ich also hier im Flieger, irgendwo zwischen Wien und Tel Aviv und ich habe 3,5 Stunden Zeit darüber nachzudenken, wieviel Fliegen wirklich nötig ist, was ich dauerhaft reduzieren kann und wo ich auch in Zukunft fliegen werde müssen bzw. worauf ich nicht verzichten möchte…

Fliegen - bislang der größte Teil meines CO2 Fußabdrucks

Bisher habe ich durch Mobilität und insbesondere Fliegen mit Abstand am meisten CO2 verursacht. In diesem Bereich kann ich vieles vergleichsweise schnell verändern: Von den gesamten 14 Tonnen CO2, die ich 2019 verursacht habe, sind über 8 Tonnen auf das Konto von Flügen gegangen. 

2020 möchte ich meinen CO2 Fußabdruck auf die Hälfte des durchschnittlichen Österreichers reduzieren. Das bedeutet, ich möchte in Summe unter 5,25 Tonnen bleiben. Da bleibt für Flüge eigentlich fast kein Spielraum…

Dennoch sitze ich also gerade im Flieger und mir wird gerade bewusst: Meine beiden Flüge heute von Wien nach Israel und in wenigen Tagen zurück verursachen 1,35 Tonnen CO2 - und ich verbrauche damit in nur 7 Stunden Flugzeit mehr als ein Viertel meines gesamten Jahresziels!

Auch auf globaler Ebene spielt das Reduzieren von Flügen eine große Rolle beim Klimaschutz: Innerhalb der gesamten EU sind 2018 über 1,1 Mrd. Passagiere im Luftverkehr geflogen. Die Tendenz ist stark steigend – zwischen 2010 und 2018 plus 43%. Angesichts der Tatsache, wie schwer Flüge ins CO2-Gewicht fallen, eine alarmierende Entwicklung. Die Summe aller Flüge muss so rasch als möglich weniger werden – aber noch geht die Tendenz in die andere Richtung…


Flüge reduzieren – aber wie?

Um Teil der Lösung zu werden muss ich also meine Flüge drastisch reduzieren. Und zwar sowohl beruflich als auch privat. Geht das überhaupt? Selbstverständlich. Geht das leicht? Wenn ich auf mich schaue: bei Kurzstrecken meistens ja, bei der Langstrecke wird es echt schwierig. Ist es aufwändiger und teurer? Teils, teils.

Man muss also genauer hinschauen: Zunächst gibt es zumindest zwei grundsätzlich verschiedene Möglichkeiten, Flüge zu reduzieren: 

  • auf die jeweilige Reise ganz verzichten 
  • Umsteigen auf umweltfreundlichere Alternativen, insbesondere die Bahn.

Flüge reduzieren durch Weglassen von Reisen

Nur mit Umsteigen auf andere Alternativen werden wir unser Klimaproblem nicht lösen. Erstens, weil kein alternatives Transportmittel in absehbarer Zeit in der Lage sein wird, die Kapazitäten des gesamten Flugverkehrs zu übernehmen und andererseits, weil es ab einer bestimmten Distanz keine praktikablen Alternativen zum Fliegen gibt. Insofern muss effektiver Klimaschutz auch mit einer Reduktion von Reisen generell einhergehen.

Auf dem Weg zu meinem persönlichen Einsparungsziel bedeutet das vor allem deutlich weniger Fernreisen. Jetzt ist nicht unbedingt so, dass ich in der Vergangenheit besonders häufig Fernreisen gemacht hätte. Aber immerhin einmal alle ein bis zwei Jahre.

Wie wenig kompatibel Langstreckenflüge mit der Reduktion des persönlichen CO2 Fußabdrucks sind zeigt folgendes Beispiel:  Ein einziger Langstreckenflug hin und zurück verbraucht mehr als mein ganzes Jahresbudget an CO2 (insgesamt 5,25 Tonnen pro Jahr): z.B. Wien-Los Angeles (via London) 6,09t oder Wien – Bangkok (via Dubai) 5,47t.

Langstreckenflüge werden in Zukunft für mich daher nur alle paar Jahre möglich sein. Ich muss zugeben, das wird besonders schwer. Zum einen, weil Reisen in ferne Länder meine große Leidenschaft sind und zum anderen, weil ich im Rahmen meiner ehrenamtlichen Vorstandstätigkeit für zwei Township-Schulen in Südafrika eigentlich alle 2 Jahre vor Ort sein sollte um meine Aufgabe gut zu erfüllen. 

Was Südafrika angeht, wird sich das also nur mehr alle paar Jahre ausgehen: Der Flug Wien-Johannesburg mit Zwischenstopp in Frankfurt verursacht 5,67t. Das wird sich also nur mehr alle 3-4 Jahre machen lassen…

Das Reduzieren der Flüge – insbesondere die selteneren Langstrecken – wird von allen CO2 Einsparungs-Maßnahmen vermutlich den größten Einschnitt für mich bedeuten. Aber ich finde, das man das nicht nur in Relation zu den eigenen bisherigen Gewohnheiten setzten sollte sondern auch im Vergleich mit den Generationen vor (und möglicherweise auch nach) uns. In Summe werde ich trotz Minimierung von Flugreisen in meinem Leben immer noch deutlich mehr fliegen, als es meine Eltern und ihre Generation getan haben. Und es wird möglicherweise auch mehr sein, als meine Kinder und ihre Generation aus ökologischen Gründen fliegen werden können…

Einsparen von beruflichen Reisen: neue Technologien machen´s möglich

Neben den privaten Flügen werde ich auch meine beruflichen Flüge drastisch reduzieren müssen. Auch hier gibt es Potential einige Reisen ganz einzusparen: Konferenzen, Arbeits- und Austauschtreffen, EU-Projekte usw.: es schadet gar nicht, hier kritisch hinzuschauen und sich zu fragen, was davon wirklich unbedingt notwendig ist. Gerade auch, weil neue Kommunikations-Technologien immer besser werden und virtuelle Arbeitstreffen und Konferenzen ermöglichen. 

Noch sind Hologramm-Videokonferenzen Zukunftsmusik, aber im Grunde funktioniert die Technologie heute schon und es ist nur mehr eine Frage von wenigen Jahren, bis sie alltäglich eingesetzt werden wird wie heute schon Videokonferenzen über Skype oder Zoom. Was diesbezüglich technisch heute bereits möglich ist zeigt dieses Video einer Hologramm Podiumsdiskussion der Imperial College Business School:



Wenn diese und ähnliche Technologien einmal alltagstauglich sind werden sie nicht nur aus ökologischen Gründen physische Treffen mit Flügen ablösen, sondern auch weil es schlichtweg eine Menge an Zeit und Geld sparen wird, wenn man sich virtuell trifft ohne lange An- und Abreisen.

Im Bereich der Konferenzen ist das bereits Realität und Formate wie TED-Talks oder auch der höchst empfehlenswerte „Pioneers of Change Summitder österreichischen Organisation Pioneers of Change erreichen durch virtuelle Konferenzen wesentlich mehr Menschen als klassische Konferenzen und das rund um den Globus und ohne einem einzigen Flug.

Flüge reduzieren - durch Umsteigen auf die Bahn

Es gibt aber natürlich auch Reisen, die notwendig sind bzw. die ich auch in Zukunft aus Lust am Reisen einfach machen möchte. Die zweite Art Flüge zu vermeiden ist demnach Umsteigen auf andere umweltverträglichere Verkehrsmittel. Und hier vor allem auf die Bahn. Das Auto ist nur dann eine sinnvolle Alternative, wenn es voll besetzt ist. Aber selbst dann kommt es nicht an die Bahn heran, insbesondere wenn diese (wie in Österreich und großteils auch in Deutschland) mit Ökostrom fährt. Die nachfolgende Grafik des VCÖ (Verkehrsclub Österreich) zeigt die wichtigsten Verkehrsmittel und ihren CO2 Fußabdruck im Vergleich:



Die Bahn ist also das umweltfreundlichste Verkehrsmittel und daher die erste Wahl, wenn es um Alternativen zum Fliegen geht. 

Bahnfahren - ein nicht ganz ungetrübtes Vergnügen

Aber der Umstieg vom Flieger auf die Bahn wird einem vom europäischen Bahnnetz nicht immer leicht gemacht. Die Qualität der Verbindungen ist je nach Land sehr unterschiedlich, die Fahrpläne sind international nicht ausreichend abgestimmt, durchgängige Zugsverbindung eine Seltenheit. Kurz: ein europäisches Zugssystem ist (noch) nicht vorhanden. Einen sehr aufschlussreichen Bericht  gab es letzte Woche dazu im Ö1 Journal: Unter anderem wurde dort das Beispiel gebracht, dass allein wegen dem Fehlen einer internationalen Sprache im Zugsverkehr ein durchgängiger Zug von Hamburg nach Istanbul insgesamt 11 (!) mal den Zugsführer wechseln müsste (oder der Zugsführer 11 Sprachen sprechen muss)...

Ein weiteres Problem ist die intransparente Preispolitik. Wer online ein internationales Zugticket kauft, bezahlt entweder oft weit mehr als notwendig, oder muss mühsam auf verschiedenen Websiten recherchieren und Preise vergleichen. 

Auch dazu ein kurzes Beispiel: Wer z.B. für den 13.3. ein Bahnticket von Wien nach Brüssel mit dem 9:15 Zug kaufen möchte, bekommt (Stand 1.3.2020) auf der ÖBB Ticket-Seite das Ticket um €212,80 angeboten – mit dem Zusatzhinweis „bester Preis“. Das gleiche Ticket für die exakt gleiche Zugverbindung am selben Tag bekommt man auf der Website der Deutschen Bahn um €139,90! Hier die beiden Angebote als Screenshots:





Zur Verteidigung der ÖBB sei gesagt: An anderen Tagen und zu anderen Zeiten ist es teilweise genau umgekehrt: da ist das gleiche Ticket bei der ÖBB billiger als bei der Deutschen Bahn… So oder so: was bleibt ist ein intransparentes und kundenunfreundliches Preissystem...

Alles das zeigt, wie viel sich noch ändern muss, bis die Bahn eine rundum attraktive Alternative für Fliegen wird. Es soll für mich aber keine Ausrede dafür sein, nicht dort auf die Bahn umzusteigen, wo es möglich ist. Und trotz mancher Schwächen ist die Bahn schon jetzt in vielerlei Hinsicht die angenehmste Art zu Reisen.


Erste Erfahrungen mit dem Umstieg auf die Bahn

Beruflich bin ich in den letzten Monaten bereits mehrmals nach Deutschland und einmal nach Brüssel mit der Bahn gefahren. Und es hat sehr gut funktioniert. Der Zug nach Brüssel ist in der Früh von Wien weg und ist am frühen Abend angekommen. Er war billiger als der Flug und während der Fahrt habe ich in Ruhe arbeiten können – wesentlich ungestörter als es meistens im Büro möglich ist. Natürlich dauert die Fahrt länger als der Flug, aber es ist deutlich bequemer und man erspart sich das mühsame und langweilige Prozedere am Flughafen. Außerdem steigt man beim Zug zentral in der Stadt ein und wieder aus und die An- und Abfahrt zum/vom Flughafen fällt weg…

So werde ich heuer also keine Flüge mehr buchen sondern statt dessen nur mehr mit dem Zug unterwegs sein. Beruflich z.B. in wenigen Wochen zu einem Meeting der Caritas Europa nach Assisi und Rom (falls das Treffen nicht der allgemeinen Corona Hysterie zum Opfer fällt).

Und privat werden wir unseren Sommerurlaub heuer in England verbringen und auch dorthin mit dem Zug fahren. Die Tickets dafür sind schon gebucht. Natürlich wäre es gerade nach London mit dem Flieger nicht nur schneller sondern auch billiger gewesen. Aber wir haben früh gebucht (und auf allen möglichen Webseiten gesucht) und dadurch günstige Zugticktes gefunden. Pro Person kostet die Hin- und Rückfahrt 260,- inklusive Übernachtung im Liegewagenabteil. Das ist sehr ok. Und die Reise ist zwar länger, aber durch den Nachtzug recht bequem: Abfahrt am Abend in Wien, Übernachten im Liegewagen und Ankunft am nächsten Tag um 16.00 in London. Ende Juli kann ich dann davon berichten, wie es wirklich war… :-)


In der Zwischenzeit bin ich längst in Tel Aviv gelandet und nach einer sehr beeindruckenden Reise auch schon wieder zurück in Wien. Beim Rückflug mussten wir übrigens wegen Sturm in Schwechat umkehren und in Graz zwischenlanden und neu auftanken. Das sind trotz der kurzen zusätzlichen Strecke wegen des aufwändigen Start- und Landevorgangs nochmal 0,2 Tonnen CO2 oben drauf auf meinen Fußabdruck. Mit 3 Stunden Verspätung sind wir dann – vom Sturm ordentlich durchgeschüttelt - in Wien gelandet. So fällt der Abschied vom Fliegen für heuer leicht…!

Wie geht es Euch mit Flugreisen und dem Umsteigen auf die Bahn? Ich freue mich auf Eure Kommentare und Eure eigenen Erfahrungen und Tipps!

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