ein Jahr "Teil der Lösung" - Meine (Zwischen-)Bilanz

Vor etwas über einem Jahr habe ich mein Vorhaben gestartet, Teil der Lösung zu werden, wenn es um den Klimawandel geht. 

Ich wollte nicht mehr dieses ohnmächtige Gefühl mit mir herumtragen, die Klima-Katastrophe kommen zu sehen und gar nichts tun zu können. Natürlich kann ich am globalen Problem nichts ändern. Aber es gibt da noch ein anderes Problem, das mit dem Klimawandel zusammenhängt, das mich sehr betrifft und das ich sehr wohl ändern kann: Meinen eigenen Anteil daran

Auch wenn dieser global gesehen genau so unbedeutend ist wie mein möglicher Beitrag zur Lösung: Für meinen Anteil am Problem trage ich die Verantwortung. Diese moralische Verantwortung lässt sich davon trennen, ob man am Gesamtproblem etwas verändern kann oder nicht. Sie besteht unabhängig davon. Und: Sie wird umso drängender, je mehr man sich ihrer bewusst wird, je mehr man um die Auswirkungen des eigenen Lebensstils auf die Zukunft Bescheid weiß.


Irrtum, Fehler oder moralisches Vergehen?

Jonathan Safran Foer hat in seinem Buch „Wir sind das Klima“ sehr treffend festgestellt, dass der Großteil der Menschen verächtlich auf die „Klimawandel-Leugner“ schaut und sich moralisch über sie stellt. Was aber ist moralisch verwerflicher, fragt Safran Foer: nicht an den Klimawandel zu glauben und daher keine Notwendigkeit für Verhaltensänderung zu sehen, oder den Klimawandel als Tatsache anzuerkennen und trotzdem nichts dagegen zu tun? Im Wissen liegt der Unterscheid zwischen Fehler und moralischem Vergehen

Die wissenschaftlichen Belege des Klimawandels und seiner Folgen sind unstrittig und mir bekannt. Ich kann mich nicht auf Unwissenheit berufen. Mein klimaschädliches Verhalten basiert nicht auf einem Fehler und es wird mir auch von niemand aufgezwungen sondern ist die Summe von vielen freien eigenen (Konsum-)Entscheidungen. 


Mit mir im Reinen sein

Darum möchte ich meinen Anteil am Problem soweit wie möglich reduzieren: um dieser moralischen Verantwortung gerecht zu werden. Gegenüber den zukünftigen Generationen, gegenüber meinen Kindern, aber am allermeisten: gegenüber mir selber. Ich möchte in diesem Punkt mit mir im Reinen sein. Jetzt, aber auch wenn ich einmal auf ein gelebtes Leben zurückschaue und Bilanz ziehen werde.

Daher ist mein „Experiment“ auch nicht nur auf ein Jahr begrenzt. Es kann nur der Anfang einer dauerhaften Umstellung sein. Aber – wie bei jeder Umstellung – ist der erste Schritt besonders wichtig. In meinem Fall, weil ich weder wusste wie hoch mein bisheriger Fußabdruck überhaupt war, noch welches Einsparungsziel für mich realistisch sein könnte. Ich habe mir daher Ende 2019 meinen bisherigen CO2 Abdruck ausgerechnet und mir ein sehr ambitioniertes Ziel für 2020 gesetzt:

Mein Fußabdruck 2019 entsprach demnach 14 Tonnen CO2. Im Vergleich dazu: der pro Kopf Durchschnitt in Österreich beträgt 10,5 Tonnen CO2 (Wert aus 2016). Für das Erreichen des minimalen Klimaziel der „2 Grad-Erwärmung“ gibt es eine vereinfachende Faustregel vom schwedischen Forscher Johan Rockström. Diese besagt, dass wir unsere CO2 Emissionen alle 10 Jahre halbieren müssen, um dieses 2Grad-Ziel zu erreichen. Ich habe mir daher als Ziel gesetzt, 2020 meinen CO2 Fußabdruck auf die Hälfte des österreichischen Durchschnitts zu senken. Also von 14 Tonnen auf 5,25 Tonnen CO2 pro Jahr.


Bilanz nach einem (ersten) Jahr

Dazu wollte ich vor allem meine Mobilität (Fliegen, Auto) radikal ändern und bei Konsum, Ernährung und Haushalt (Strom und Gas) weiter einsparen. Nach einem vollen Jahr 2020 kommt hier nun die Bilanz ob, wo und wie sehr mir das gelungen ist:


Mobilität

Ich wollte (bis auf einen bereits lange 2019 gebuchten Flug für eine Studienreise nach Israel) keine Flüge mehr machen und auf Videokonferenzen bzw. Bahnfahrten umsteigen. Ich wollte innerhalb Wiens nur mehr öffentlich unterwegs sein und die Fahrten mit dem Auto drastisch reduzieren. All das habe ich 2020 ohne große Probleme umgesetzt. Ich bin nach dem Israel-Flug nicht mehr geflogen, und das Auto ist heuer nur für größere Einkäufe und für längere Strecken außerhalb der Stadt verwendet worden. Wegen Corona waren diese Änderungen aber alles andere als außergewöhnlich und selbst wenn ich gewollt hätte, hätte ich nicht viel im Flieger sitzen können. Aber, wir alle haben gesehen, wie gut sich Dienstreisen durch Videokonferenzen ersetzen lassen und wie leicht es fällt auch nahe Urlaubsdestinationen zu schätzen. Und die Vorzüge von guten Bahnverbindungen gegenüber Flügen auf europäischen Kurzstrecken haben mich absolut davon überzeugt, dass ich in Zukunft fast alle Flüge einsparen kann.

In CO2 ausgedrückt hat die drastische Reduktion der Flüge 7,08 Tonnen CO2 eingespart (von 8,44t auf 1,36t). Beim Auto sind um 0,8 Tonnen weniger CO2 angefallen als 2019 (von 1,5t auf 0,7t). Zugfahrten und Öffis haben im Alltag zwar die allermeisten Fahrten ausgemacht, in der CO2 Bilanz fallen sie aber praktisch nicht ins Gewicht: In Summe waren es bei mir 2020 nur rund 50kg CO2!


Konsum

Auch beim Konsum habe ich heuer versucht, weiter einzusparen. Weniger Produkte zu kaufen, mehr auf Reparatur und Gebrauchtwaren zu setzen und dort, wo neue Käufe nötig waren, auf Langlebigkeit und möglichst kurze Lieferwege zu achten. 

Sehr gut hat das zum Beispiel bei elektronischen Geräten funktioniert: Anfang des Jahres lief unser (8 Jahre) altes Macbook schon so langsam, dass man damit nicht mehr arbeiten konnte. Anstatt es durch ein neues Modell zu ersetzen haben wir es bei einem Mac-Handler, der auf solche „Verjüngungskuren“ spezialisiert ist, mit ein paar neuen Teilen (neue Festplatte und neuer Rechenspeicher) wieder flott gemacht. Seitdem läuft alles wieder einwandfrei.

Auch das Notebook, das mein Sohn heuer für die Schule brauchte haben wir „refurbed“ also gebraucht gekauft. Dadurch, dass ständig neue Modelle am Notebook-, Handy- und Tablettmarkt produziert und verkauft werden, gibt es Unmengen an „Alt“-Geräten, die von refurbing-Anbietern (z.B. afb) generalüberholt und mit Garantie verkauft werden. Eine sinnvolle Alternative zu Neukäufen, wenn man wirklich mal ein neues Gerät baucht…

Im Haushalt haben wir den Rat des Service-Mitarbeiters ignoriert, unsere defekten Geschirrspüler durch einen neuen zu ersetzen. Stattdessen haben wir 200,- für die Reparatur bezahlt. Jetzt läuft er auch schon wieder fast ein Jahr reibungslos und ein Geschirrspüler weniger steht auf den Mistplätzen dieser Welt und ein Geschirrspüler weniger musste produziert und um die halbe Welt transportiert werden…

So sind es viele kleine Dinge und Entscheidungen, die ich früher anders getroffen hätte, die jetzt meinen Konsum-Fußabdruck reduzieren. „Brauche ich das wirklich?“, „Kann man das noch reparieren?“, „Kann man das auch sinnvoll gebraucht kaufen?“… Und die Antworten auf alle diese Fragen sind natürlich entgegengesetzt  zu dem, was uns laufend von Werbung und Lifestyle zugebrüllt wird…

In Summe habe ich dadurch meinen CO2 Fußabdruck im Bereich Konsum von 1,59 Tonnen (2019) auf 0,89 Tonnen (2020) reduziert.


Ernährung

Die Ernährung ist bei den meisten Menschen in hochentwickelten Ländern, nach der Mobilität, der Bereich mit dem höchsten CO2-Einsparungspotential. Bei mir war hier aber nicht mehr allzu viel zu holen, weil ich schon seit langem Vegetarier bin (Fleischkonsum hat einen extrem hohen CO2-Abdruck). Und weil für mich der gänzliche Verzicht auf tierische Produkte nicht in Frage kommt. Vegane Ernährung ist zwar noch einmal deutlich klimafreundlicher als vegetarische, ein Verzicht auf Milchprodukte und Eier kann ich mir aber nicht vorstellen… In Summe habe ich daher heuer meine Ernährung nur dahingehend umgestellt, beim Einkaufen auf regionale und saisonale Produkte zu achten und den höchstmöglichen Anteil an Bio-Produkten zu kaufen.

Diese kleineren Umstellungen haben im Bereich Ernährung zu einer geringen Reduktion von 0,14 Tonnen CO2 (von 1,2t auf 1,06t) geführt.


Wohnen und Haushalt

Bleibt noch der wichtige Bereich des Energieverbrauchs fürs Wohnen. Das ist leider ein frustrierendes Thema für mich. Denn einerseits machen Gas- und Stromverbrauch bei mir mit rund 1,2 Tonnen pro Jahr einiges aus. Andererseits sind meine Möglichkeiten für Einsparungen hier sehr beschränkt. 

Ich habe zwar heuer versucht, durch Stromsparen (Standby reduzieren; Zeitschaltuhren etc.) und bewussterer Steuerung der Heizung einzusparen. In Summe war der CO2 Abdruck aber sogar höher als im Vorjahr. Beim Strom haben wir zwar einiges eingespart, aber beim Gas ist der Verbrauch deutlich gestiegen. Das liegt leider an unserem extrem schlecht gedämmten Wohnhaus (Baujahr 1975) und dem sehr hohen Gasverbrauch an kalten Tagen. Da würde nur eine thermische Sanierung weiterhelfen, die aber nur mit der Zustimmung aller EigentümerInnen möglich ist. In unserem Fall blockiert aber schon seit Jahren ein Eigentümer den Wunsch der anderen 9 nach einer thermischen Sanierung. Dass es sich dabei um die REWE Gruppe (BILLA, BIPA, MERKUR etc.) handelt, die sich sonst überall als besonders nachhaltig inszeniert, ist ein eigenes (trauriges) Kapitel...

Für meine Jahresbilanz bedeutet das, dass im Jahr 2020 für Haushalt (Strom und Gas) um 0,16 Tonnen mehr CO2 angefallen sind als 2019 (2019: 1,12t; 2020: 1,28t).

 

Meine Gesamtbilanz 2020

Wie schaut es also nun aus, wenn man alle Bereiche zusammen zählt? In Summe habe ich 2020 5,29 Tonnen CO2 verursacht und damit um 8,32 Tonnen weniger als 2019 (14,01t) und um 5,21 Tonnen weniger als der durchschnittliche Österreicher (Stand 2016). Obwohl ich meinen Zielwert (5,25t) haarscharf verpasst habe, habe ich damit meine eigentlichen Ziele fürs erste erreicht: Meinen CO2 Abdruck drastisch zu reduzieren (um über 62%) und mir selber zu beweisen, dass es durchaus möglich ist – auch ohne übermäßiger Einschränkungen meiner Lebensqualität.



mein CO2 Fußabdruck Vergleich 2019 vs. 2020



vom einmaligen Experiment zur dauerhaften Veränderung

Damit ist mein neues Ziel für die nächsten Jahre klar: Ab jetzt auf diesem Niveau bleiben, im Schnitt nicht mehr als 5,25 Tonnen CO2 pro Jahr verursachen, wenn möglich weniger. Weiterhin so leben, dass ich zumindest nicht zum globalen Problem beitrage. 

So leben, wie ich es mir auch von den anderen wünschen würde. Be the change you want to see“ – Gandhi´s simple Richtschnur für das eigene Tun gibt die Richtung vor: Teil der Lösung sein! :-)

Kommentare

  1. Lieber Florian, danke für dein Update! Bei "ab jetzt auf diesem Niveau bleiben" musste ich spontan an Dirk Gratzel denken, Autor „Projekt Green Zero“ und Aktivist. Er ist vermutlich der erste Mensch zumindest unserer modernen Welt, der mit einer wirklich grünen Null aus dem Leben scheiden will, sehr beeindruckender Mensch. Er will also nicht nur "ab jetzt" reduzieren, sondern so leben, dass er auch den vergangenen Überverbrauch kompensiert. Und er hat bei dem Versuch erstaunliche Erfahrungen gemacht... Es gibt ein paar YouTube Videos von ihm

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    1. Liebe Hemma, vielen Dank für den Hinweis!
      Über Dirk Gratzel bin ich auch schon gestolpert: Habe sein Buch (https://www.randomhouse.de/Paperback/Projekt-Green-Zero/Dirk-Gratzel/Ludwig/e566132.rhd) zu Weihnachten geschenkt bekommen und es gleich am nächsten Tag ausgelesen... Sehr zu empfehlen!

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  2. Lieber Flo !
    Auch wenn ich hoffe, dass wir coronabedingt 2020 alle einen etwas kleiner Fussabdruck hinterlassen haben, finde ich Deine Aktion und die Gedanken, die Du Dir über unser größtes Problem - den Klimawandel- machst, großartig.
    Beim Thema Dinge nicht gleich durch neue zu ergänzen, bin ich bei Dir und habe eine Liste von (meist kleinen) Betrieben, die (meist elektrische ) Dinge überhaupt noch reparieren.
    Mach weiter so!
    Liebe Grüße
    Ingrid

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    1. Liebe Ingrid!
      Super, sie Liste hätte ich sehr gerne! :-) Vielleicht kannst Du mir die mal zukommen lassen? Liebe Grüße!
      Florian

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  3. ich gratuliere lieber Florian. Es geht also. Du bist ein Vorbild und deine genaue sorgfältige Auseinandersetzung zeigt, wie es gehen kann. Ich werde anderen von Dir erzählen und so deinen Samen weitersäen. Alles Liebe aus dem Waldviertel, Ulli

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  4. Lieber Florian,
    es ist unglaublich was du letztes Jahr alles positiv verändert hast. Du bist ein großes Vorbild und in kleinen Schritten möchte ich dir folgen.
    G.W.

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