Dranbleiben!
Ab und zu spricht mich jemand auf meinen Blog an: „Was ist eigentlich mit Deinem Blog geworden? Gibt´s den noch?“ Gute Frage. Ja, es gibt ihn noch und vor allem: Mein Vorhaben, meinen CO2 Fußabdruck drastisch zu reduzieren läuft nach wie vor.
Allerdings hat sich mit dem Corona Lock-Down Mitte März die Situation total verändert. Corona hat alles überlagert. Von heute auf morgen waren wir alle gezwungen, unseren Alltag drastisch umzustellen. Natürlich auch ich. Und plötzlich waren viele meiner Vorhaben für heuer in Bezug auf CO2 Einsparung kein ausgesprochener Verzicht mehr sondern aufgezwungene Veränderung, die uns alle betroffen hat.
„Auf Flugreisen verzichten“, „berufliche Reisen durch virtuelle Meetings zu ersetzen“ - das waren noch im Februar Vorhaben, bei denen man sich bewusst gegen das übliche Verhalten entscheiden musste, über die man in einem Blog schreiben konnte. Aber seit März ist vieles davon Realität für uns alle. Und mir schien mein Vorhaben in der Corona-Krise einfach lange Zeit nicht interessant genug, um weiter darüber zu schreiben.
Die
Corona-Situation hat sich bis heute nicht wesentlich verändert. Trotzdem habe
ich seit einigen Wochen wieder mehr Lust, einen Blogeintrag zu schreiben.
plötzlich „geht“ vieles einfach, weil es gehen muss…
Ich bin mir sicher, dass alle, die diesen Blog lesen, heuer wesentlich weniger CO2 verursacht haben als in den Jahren davor. Allein schon wegen der eingeschränkten Reise- und Urlaubsmöglichkeiten. Vieles ist uns heuer schmerzlich abgegangen, aber Berufsreisen gehören wohl kaum dazu. Im Gegenteil: man erkennt, wieviel Zeit man gewinnt wenn man nicht für einzelne Meetings ganze Tage herumfährt und fliegt.
Man hat auch nicht das Gefühl etwas Wichtiges zu verpassen oder sich besonders erklären zu müssen, weil es allen anderen auch so ergeht. Weil eine kollektive Verhaltensänderung stattfindet. Ähnlich ist es übrigens auch mit dem Urlaub daheim und den heuer ausgefallenen Fernreisen. Im Kollektiv fällt der "Verzicht" wesentlich leichter.
…und weil es alle betrifft
Ich glaube, die Veränderung der „gesellschaftlichen Norm“ oder anders ausgedrückt ein „positiver Gruppendruck“ ist für die Veränderung unseres Lebensstils noch wichtiger als die individuelle Erkenntnis, was aus ökologischen und moralischen Gründen richtig und wichtig ist: Zu verstehen, dass die Klimakrise real ist und es einen radikalen Wandel unserer Lebensweisen bedarf ist die eine Sache. Solange sich aber gefühlt „alle anderen“ auch nicht verändern, wird die eigene Veränderung zum Kraftakt – zum „gegen den Strom Schwimmen“. Sobald aber gefühlt „alle anderen“ auch ihr Leben umstellen (müssen), fällt die eigene Umstellung plötzlich viel leichter – sie wird zum neuen „normal“.
Ein Großteil unseres Gefühls, was uns wichtig ist und wovon wir glauben, dass unsere Lebensqualität abhängt, kommt aus dem Vergleich mit anderen. „Aus sich heraus“ erkennen, was einem wichtig ist und gut tut ist wesentlich schwerer, als zu beobachten, was andere tun, besitzen und konsumieren – und davon abzuleiten, dass man das für sein eigenes Glück auch brauchen würde. Das macht Verhaltensänderung „gegen die Norm“ so schwer – selbst wenn die Vernunft eine eindeutige Sprache spricht.
mehr als nur eine platte Floskel: die Krise als Chance
Gerade deswegen ist aber die Corona-Krise für die Bewältigung der Klima Krise eine riesen Chance. Kollektive Verhaltensänderungen innerhalb von Monaten oder sogar Wochen sind nur möglich, wenn es äußere Umstände erzwingen, die alle betreffen. Rein auf rationaler Ebene dauert so ein Prozess Jahre. Und selbst dann wird er laufend verwässert und erschwert durch den Widerstand der Nutznießer des Status Quo, durch politischen Opportunismus und die Bequemlichkeit und Veränderungsresistenz aller.
Die Corona Pandemie hat unerhört viel Elend und Leid auf der ganzen Welt mit sich gebracht und natürlich ist sie für sich genommen eine Katastrophe. Aber sich dieser Katastrophe zu stellen, heißt auch das Beste aus ihr zu machen. Und dazu gehört ganz sicher, dass wir die Corona Krise dazu nutzen, unsere Verhaltensmuster und Lebensstile zu hinterfragen und dauerhaft zu verändern.
Dass wir erkennen, wie viel (leicht) verzichtbar ist. Und umgekehrt: wie Weniges unverzichtbar ist - wie z.B. soziale Kontakte und die Nähe zu unseren Freunden und Familien. Corona bietet uns die Chance zur Neuausrichtung festgefahrener Verhaltens- und Konsumgewohnheiten. Ob wir sie nutzen, liegt (auch) an jeder/jedem von uns. Wir sollten uns schon jetzt fragen: welche Veränderungen der letzten Monate wollen wir auch nach Corona beibehalten? Insbesondere hinsichtlich Konsum und Mobilität.
Der Mensch
ist bei Veränderungen träge. Aus der Physik wissen wir: Für die Überwindung von
Trägheit braucht man für die ersten Schritte die meiste Energie. Ist man mal
„in Bewegung“ ist die größte Hürde schon genommen. So leicht wie jetzt wird uns die Veränderung zu einem ökologisch
nachhaltigen Lebensstil vermutlich nie wieder fallen: Wir haben die ersten
Schritte durch Corona längst gemacht. Bleiben wir dran...!
Jetzt frage ich mich natürlich, was braucht es z.B. beim Thema Reisen, um die jetzige Situation zu erhalten? Den Verzicht nachhaltig zu einer gesellschaftlichen Norm zu machen? Nämlich abgesehen vom eigenen Dranbleiben?
AntwortenLöschenDanke Florian für den Input!
Beim Reisen werden wir wohl eine Reduktion von Fernreisen und bei Europareisen ein Umsteigen von Flug auf die Bahn brauchen. Damit kann man schon viel erreichen. Für mich ist das ein wenig so wie zurück in die 80er... Aber: Damals haben unsere Familien auch regelmäßig Urlaub gemacht und es ist uns diesbezüglich nichts abgegangen. In den letzten 30 Jahren hat sich dann unser Reiseverhalten vervielfacht mit perversen Auswüchsen wie Fernreisen zu jeden Schulferien, Wochenendflüge über den Atlantik und Europaflüge um einen Euro. Auf solche Reisen werden wir verzichten müssen. Aber vielleicht gelingt es uns auch vom "Fast-Food-Tourismus" wegzukommen und die einzelnen Reisen wieder bewusster zu erleben und mehr zu schätzen. Dann wäre der Verzicht unterm Strich vielleicht sogar ein Gewinn...
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